Bootstrapping vs. Finanzierung: Welche Strategie ist richtig?
Verfasst von Michal Dallos
Bootstrapping vs. Finanzierung
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Für Startup ist es oft schwer, die richtige Finanzierungsstrategie zu finden. Soll man das Unternehmen aus eigener Kraft aufbauen (Bootstrapping) oder eine externe Finanzierung in Anspruch nehmen? Bootstrapping vs. Finanzierung:  Diese Entscheidung muss sicherlich individuell getroffen werden, denn für einige Unternehmen ist zusätzliches Kapital nicht notwendig, während für andere das Wachstum aus eigener Kraft ohne externe Finanzierung viel zu langsam wäre.

Bootstrapping

Was ist Bootstrapping und wie funktioniert es?

Erstmal eine Urban Legend: Der Begriff Bootstrapping stammt angeblich aus einer die zahlreichen Erzählungen über den Baron Münchhausen. Darin reitet der Held auf seinem Pferd durch den Wald und bleibt plötzlich im Sumpf stecken. Er ruft um Hilfe, aber niemand hört ihn. Er lässt sich nicht entmutigen und fasst einen kurzen Entschluss: Er zieht sich einfach an seinen Haaren und Stiefelriemen samt Pferd aus dem Sumpf! Voilà: Der erste Bootstrapper der Geschichte.

Aber jetzt mal im Ernst: Bootstrapping bezeichnet in der Betriebswirtschaftslehre eine Wachstumsstrategie, bei der das Unternehmenswachstum ausschließlich aus eigenen Mitteln, d.h. aus Eigenkapital oder Umsatzerlösen, finanziert wird. Man „zieht sein Unternehmen“ also aus eigener Kraft auf den Wachstumspfad – ohne jegliche Fremdfinanzierung.

Muenchhausen Sumpf Hosemann

Was ist beim Bootstrapping zu beachten?

Wenn man sich als Unternehmer für das Bootstrapping entscheidet, sollte man seine Geschäftstätigkeit darauf ausrichten, das investierte Kapital so schnell wie möglich wieder „einzuspielen“. Dies kann z.B. durch eine Kombination aus langen Zahlungsfristen für Lieferanten oder kurzen Zahlungsfristen und Anzahlungen für Kunden erreicht werden. Auch eine bedarfsorientierte Produktion, bei der Lagerhaltung vermieden und erst nach Auftragseingang und Bezahlung produziert wird, ist eine gute Option. Ziel ist es, so schnell wie möglich einen positiven Cashflow zu erreichen:

  • Rasche Aufnahme der operativen Tätigkeit zur Umsatzgenerierung. Bei Kunden auf Anzahlungen bzw. kurze Zahlungsziele hinwirken.
  • Eigene Mittel zur Finanzierung notwendiger Produktentwicklungen einsetzen, Entwicklungszeiten möglichst kurz halten, Produktentwicklung auf Marktbedürfnisse ausrichten.
  • Ausgaben und Kosten im Griff haben, genau überwachen und so niedrig wie möglich halten.
  • Wachstumsdynamik Cashflow-orientiert steuern, d.h. neue Aufträge nur dann annehmen, wenn ausreichend Liquidität zur Abwicklung vorhanden ist. Den Mut haben, Projekte abzulehnen.
  • Liquiditätsplanung durchführen und im Rahmen des Controllings den Soll-Ist-Vergleich laufend aktualisieren und überwachen.

Startup-Finanzierung

Finanzierung durch Investoren und ihre Erwartungen

Bei der Finanzierung von Startups werden den Investoren das Geschäftskonzept und die Aussicht auf einen zukünftige Cash-Flow verkauft. Im Gegenzug erhält das Startup frisches Kapital und muss Unternehmensanteile abgeben. Der Reifegrad von Startups kann sehr unterschiedlich sein:

  • Early-Stage-Geschäftsideen, bei denen das Geschäftsmodell erst entwickelt werden muss
  • Geschäftskonzepte mit bereits erbrachtem Proof-of-Concept (= „grundsätzlich funktionierendes Produkt“) und Proof-of-Market (=“erfolgreicher Verkauf erster Produkte“, d.h. es gibt Kunden, die bereit sind, für das Produkt zu zahlen)
  • Unternehmen auf Expansionskurs, die aktiv und zielgerichtet an der Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit arbeiten. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen geschehen, wie z.B. die Erschließung neuer Märkte, die Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen, die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf neue Regionen oder die Akquisition anderer Unternehmen, um das eigene Wachstum voranzutreiben.

Je nach Reifegrad des Unternehmens variiert auch der Verwendungszweck des Kapitals, z.B.:  

  • Ausgaben für die Produktentwicklung, bzw. Produktfertigstellung
  • Marketingkosten und Ausgaben für das Sales-& Marketingteam
  • Finanzierung der Produktion, bzw. der Produktbestellungen bei Hardware produzierenden Unternehmen oder Infrastrukturkosten bei SaaS/Tech-Unternehmen
  • Ausgaben für Verwaltung, IT, Ausstattung der Arbeitsplätze und Rechts- und Steuerberatung
  • Kosten für den Markteintritt im Ausland: Auslandsniederlassungen, Rechtsberatung, länderspezifische Werbekampagnen

Die Versuchung ist groß auch unnötige Ausgaben zu tätigen: zu großes Büro, zu großes Team, zu großes Auto … – die Liste ist lang! Alternativ besteht die Gefahr sich bei der Expansion mit zu vielen Baustellen zu verzetteln.

Die Kapitalgeber können wiederum in folgende Kategorien eingeteilt werden:

  •  Die „3F – Family, Friends and Fools“ eignen sich für die Pre-Seed-Finanzierung von Startups in Ideenphase. Im Ideenstadium wurde das Branchenproblem durch fundiertes Wissen identifiziert und eine klare Lösungsvorstellung in der Form eines Produktes oder einer Dienstleistung wurde formuliert. Diese Investorengruppe erwartet meist nur eine symbolische Beteiligung am Unternehmen in der Größenordnung von wenigen Prozent.
  • Business Angels sind vermögende Privatpersonen, die Startups mit Kapital, Managementerfahrungen und ihrem Netzwerk unterstützen. Das typische Investitionsvolumen liegt zwischen 50.000 € und 250.000 €. Business Angels sind häufig in regionalen Netzwerken organisiert. Am einfachsten findet man eine Liste von Business-Angel-Netzwerken im Mitgliederverzeichnis des Business Angels Deutschland e.V. (BAND).
  • Venture Capital Fonds eignen sich in erster Linie für die Wachstumsfinanzierung von Startups. Ein Proof-of-Concept und Proof-of-Market sollten daher bereits erbracht und das Skalierungspotenzial bekannt sein

Alle Investorengruppen haben eines gemeinsam: Sie wollen die Höhe der Finanzierung und den Grund für die Finanzierung verstehen und in weiterer Folge sicherlich auch ein Auge auf die tatsächliche Mittelverwendung haben. Daher ist eine fundierte Finanzplanung mit anschließendem Controlling von zentraler Bedeutung beim Fundraising (siehe auch Artikel How to: Investorensuche für Startups). Im Gegenzug müssen die Gründer ein gewisses Mitspracherecht der Investoren akzeptieren.

Bootstrapping vs. Finanzierung

Die folgende Tabelle stellt die Vor- und Nachteile von Bootstrapping und Start-up-Finanzierung gegenüber:

Vor- und Nachteile von Bootstrapping

Bootstrapping vs. Finanzierung

Zu den Vorteilen von Bootstrapping gehört, dass die Gründer selbstbestimmt und unabhängige Entscheidungen treffen, da sich keine Investoren einmischen. Auch müssen keine weiteren Verpflichtungen gegenüber Kapitalgebern erfüllt werden, so dass das Gründerteam die Strategie selbst festlegen kann. Zeit und Energie, die sonst für Fundraising und Investor Relations aufgewendet werden müssten, können stattdessen in den Kundenfokus investiert werden.

Nachteile von Bootstrapping sind das langsame Wachstum, das durch den selbst generierten Cash-Flow begrenzt wird. Dies führt häufig zu einem geringen Budget für Marketing und neue Mitarbeiter, was es Konkurrenten mit Finanzierung ermöglicht, den Markt schneller zu besetzen – auch mit einem qualitativ schlechteres Produkt.

Fokus der Finanzplanung beim Bootstrapping

Eine detaillierte Finanzplanung ist beim Bootstrapping unumgänglich, da alle Ausgaben aus den Verkaufserlösen, bzw. aus dem Unternehmensvermögen finanziert werden müssen. Der Schwerpunkt der Finanzplanung liegt daher auf der Cash-Flow Planung. Der Finanzplan bildet die Grundlage für jede Priorisierung von Ausgaben und Investitionen.

Darüber hinaus müssen Unternehmer beim Bootstrapping ihre Finanzen genau überwachen und ihre Finanzplanung ständig aktualisieren, um sicherzustellen, dass sie auf Veränderungen in der Auftragslage reagieren können und der Cashflow stets positiv bleibt. Andernfalls droht schnell die Insolvenz.

Vor- und Nachteile der Finanzierung durch Investoren

Einer der Vorteile der Aufnahme von externem Kapital ist die Möglichkeit, in Ressourcen zu investieren. Dabei kann es sich um Mitarbeiter mit wichtigem Know-How handeln, das dem Unternehmen zuvor fehlte, um interne oder externe Entwicklungsressourcen zur Fertigstellung von Produkten oder um Marketing und Vertrieb zum Aufbau einer Marktposition.  Ziel ist es, das Wachstum zu beschleunigen.

Beim so genannten „Smart Money“ stellen die Investoren neben dem Kapital auch weitere Unterstützung wie Netzwerke, Managementerfahrung und Branchenkenntnisse zur Verfügung.

Ein Nachteile der Startup-Finanzierung ist der hohe Aufwand für den Gründer – nicht umsonst heißt es, Fundraising sei ein Vollzeitjob. Schließlich muss nicht nur der richtige Investorenkreis identifiziert werden, sondern auch der einzelne Investor von den Vorteilen einer Investition in eine „rosige“, aber unsichere Unternehmenszukunft überzeugt werden. Nicht zu vernachlässigen sind die hohen Transaktionskosten, die mit einer Finanzierung verbunden sind: Notargebühren, Rechtsberatung und ggf. Vermittlungsprovisionen.

Ein weiterer Nachteil kann eine gewisse Einschränkung der Kontrolle, im Extremfall der Kontrollverlust über das eigene Unternehmen sein. Schließlich erwartet ein Investor auch ein gewisses Maß an Mitbestimmung, was insbesondere bei strategischen Entscheidungen Konfliktpotenzial birgt.

Fokus der Finanzplanung bei der Startup-Finanzierung

Im Vorfeld einer Finanzierungsrunde muss der Finanzplan die Höhe des Kapitalbedarfs und die Verwendung der Mittel darstellen. Diese Zahlen ergeben sich aus den Wachstumserwartungen bzw. der Wachstumsplanung, auf die sich Gründer und Investoren geeinigt haben.

Nach der Finanzierungsrunde dient der Plan als Grundlage für das Controlling (Soll-Ist-Vergleich) und bildet damit das Rückgrat der Investor Relations.

Qual der Wahl: Geschäftsmodell an Investoren oder Produkt an Kunden verkaufen?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bootstrapping und Startup Finanzierung jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. Bootstrapping bietet Unternehmern die volle Kontrolle über ihr Unternehmen, kann aber das Wachstum des Unternehmens begrenzen und das Startup auf das vorhandene Know-How der Gründer beschränken. 

Auf der anderen Seite ermöglicht der Einstieg von Investoren ein beschleunigtes Wachstum, das durch deren branchenspezifische Expertise und Netzwerke weiter unterstützt werden kann. Auf der anderen Seite kann es zu Konflikten mit den Kapitalgebern und zum Verlust der unternehmerischen Autonomie kommen.

Sowohl Bootstrapping als auch Start-up-Finanzierung erfordern einen soliden Finanzplan – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Letztlich hängt die Wahl zwischen Bootstrapping und Startup-Finanzierung von deinem Fokus als Gründer ab: Willst du deine Idee lieber an Investoren oder dein Produkt an Kunden verkaufen?